Nein!
Einem Rechtsanwalt sollte man nicht unterstellen, er würde die Beweggründe, das Gedankengut oder gar die Ideologie seines Mandanten teilen,
dessen Handlungsweise ihn ja möglicherweise zu der ihm vorgeworfenen Straftat führte. Der Rechtsanwalt darf verteidigen wen er möchte,
ohne sich mit demjenigen gemein zu machen. Er muss nur im Sinne seines Mandanten das beste Ergebnis erzielen wollen. Keiner der nachfolgend
genannten Personen wird also eine solche Sympathie entgegengehalten. Nichtsdestotrotz führten einige Mandate zu wirklich bizarren Geschichten
auf dem deutschen Justizparkett.
Fangen wir mal beim lustigen Horst an – nein, nicht der berühmte Fernsehkoch mit dem großen Zwirbelbart, der hat damit nun wirklich nichts zu tun.
Gemeint ist der Horst mit der berühmten großen Klappe, der Horst Mahler. Begonnen hat alles so in den 60er Jahren. Neuerdings sagt man dann ja
hinweisend dazu, dass es sich um das vorherige Jahrhundert handelt. Ja, Herr Gott, um welches denn sonst, wenn wir nicht gerade über echte
Dinosaurier reden?!
Herr Mahler war damals ein ziemlich wortgewandter Anwalt der linken Szene. Wortgewandt ist er heute noch, wenn auch inzwischen in anderem Sinnesgewand.
Er war mal in der SPD, dann im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), und später war er für die Außerparlamentarische Opposition (APO) tätig.
Er verteidigte namhafte Leute der damaligen Zeit wie Fritz Teufel und Rainer Langhans von der berühmten Kommune I sowie Rudi Dutschke und Peter Brandt
von der Studentenbewegung. Dass Mahler 1969 neben Hans-Christian Ströbele auch Mitbegründer des sozialistischen Anwaltskollektivs war, ist insofern
nichts Neues. Die Beiden kennen sich bereits seit 1967, denn Ströbele war damals Rechtsreferendar in Mahlers Anwaltskanzlei.
Zur selben Zeit lernt Mahler einen Anwaltskollegen kennen, der das Trio bald vervollständigen wird. Obgleich sie zunächst noch juristische
Widersacher in einem belanglosen Erbschaftsverfahren sind, ist Mahler von dem vier Jahre Älteren beeindruckt. Kurz darauf vertreten beide
gemeinsam die Eltern von Benno Ohnesorg als Nebenkläger im Prozess um dessen Tod. Der Student Benno Ohnesorg war während der Proteste gegen den
iranischen Schah am 2. Juni 1967 von dem Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen worden. Die Sache sollte vertuscht werden, führte aber
zu einer massiven Ausweitung der Studentenproteste und wurde zu einem Schlüsselereignis der 68er Bewegung. Der Todestag von Ohnesorg wurde von
der "Bewegung 2. Juni" zugleich als Namen für ihre Organisation übernommen. Mahlers neuer Kumpel und Fachkollege heißt Otto Schily.
Auch im 1968er Verfahren um die Frankfurter Kaufhausbrände, verübt von den allseits bekannten Anarcholeuten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Torwald
Proll und Horst Söhnlein, trafen sich Mahler und Schily als Verteidiger wieder. Aber das ist alles kalter Kaffee...
Anno 1970 kam es zum berühmten "Fenstersprung von Berlin" – einer kollektiven und konzertierten Aktion von Gesinnungsgenossen des zu
diesem Zeitpunkt unter Aufsicht von zwei Vollzugsbeamten stehenden, bei einem auswärtigen Termin verweilenden und deshalb von seiner Haftstrafe zu
befreienden Andreas Baader. Jenes Ereignis an diesem 14. Mai gilt als Geburtsstunde der RAF.
Horst Mahler hielt man für einen Verantwortlichen dieser Gewaltaktion und klagte ihn deshalb 1971 unter anderem wegen Gefangenenbefreiung an.
Wer waren die Verteidiger von Horst Mahler? H. C. Ströbele und Otto Schily.
Frühere Jahrgänge werden sich noch an den schlaksigen Schily mit dem Prinz-Eisenherz-Haarschnitt erinnern, wie er im Stammheimer RAF-Prozess
als Verteidiger von Gudrun Ensslin den Vorsitzenden Richter Theodor Prinzing und im Fernsehen den Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, zur
Weißglut brachte. Prinzing und Geißler sind keine Anwälte, aber Dr. jur., also Doktoren der Rechtswissenschaft. Juristen unter sich halt.
Spätere Generationen, die mit dem Internet, erinnern sich nur deshalb an Schily, weil er die Google-ähnlichen Datensammel-Manieren zur Staatsräson
machen wollte. Stichwort: Vorratsdatenspeicherung in der Telekommunikationsüberwachung. Was für ein Unwort! Wer redet denn so? Na Sheriff Schily.
H.C. Ströbele fungierte 1971 in dem Prozess um die Baader-Befreiung als einer der Verteidiger der beiden mitangeklagten Frauen. Eine wichtige
Rolle als Belastungszeuge in diesem Prozess spielte ein V-Mann des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz, Peter Urbach. Der Verfassungsschutz
– ja gut, denkt man – der ist ja bei sowas eh immer dabei. Damit rechnet man ja. Auf besagten Nachrichtendienst kommen wir später noch genauer
zu sprechen. Mahler wurde jedenfalls freigesprochen, musste aber wegen anderer Vorwürfe in Haft bleiben.
Ebenfalls im Jahr 1970 verteidigte Otto Schily Horst Mahler im Springer-Prozess.
Interessanter ist, dass ein Wolf Biermann 1969 mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet wird. Einen Teil des Preisgeldes spendete er dem Rechtsanwalt Horst Mahler.
Ah ja, und? Wolf Biermann! Das ist der, der eigentlich immer was zu nörgeln hat: An der DDR und dem System – zu Recht. An der BRD und deren System – auch zu Recht.
Und am Sein grundsätzlich... ja eben an allem (und natürlich dessen System). Zu diesem Zeitpunkt war Biermann noch Bürger der DDR, die Preis-verleihung fand in West-Berlin statt.
Schon lustig, oder?
1973 haben die anklagenden Behörden endlich Erfolg gegen Horst Mahler, obwohl er nun von Schily und Ströbele verteidigt wird. Nützt nichts, Mahler muss ins Gefängnis
und verliert seine Anwaltszulassung.
1975 will man dann zur Abwechslung Herrn Ströbele ans Bein pinkeln, auch er vertraut logischerweise auf Schilys Rechtsbeistand. Aber Ströbele darf
danach nicht als Verteidiger von Andreas Baader am Stammheimer Prozess teilnehmen. Otto Schily verteidigt in Stammheim Gudrun Ensslin.
Bekanntermaßen entwickelte sich der Prozess zu einer regelrechten Schlacht der Juristen, ein Kampf um Ideologien und die Grenzen des Rechtsstaates.
1980 erreicht Horst Mahler eine vorzeitige Entlassung aus der Haft und 1987 sogar eine Wiederzulassung als Anwalt! Beides mittels seines neuen Verteidigers,
der 1980 nebenbei noch Vorsitzender der SPD-Jusos ist. Noch 'n Anwalt? Ok, und der Name? Na, wenn Sie es genau wissen wollen: Gerhard Schröder. Neee, Schröder?
Doch. Ist ja ein Allerwelts-Name. Ist aber der Schröder. 1980 gründen sich auch die Grünen. Grün(d)ungsmitglieder sind Hans Christian Ströbele und Otto Schily.
Und ganz häufig war in dieser Ära auch die Stasi irgendwie gut informiert.
Nun wird es etwas ruhiger. Erst um das Jahr 2000 hört man wieder vom Mahler Horst, als er nämlich nahtlos - überraschend oder nicht - vom linkspolitischen Lager
der 60er und 70er Jahre (ja, vergangenen Jahrhunderts, da kein T-Rex mitspielt) ins rechtsextreme Lager flutscht. Er tritt der NPD bei und macht sich wieder
als Anwalt (un-)beliebt. So zum Beispiel im Jahr 2001, als Rechtsbeistand dieser Partei. Die damalige Bundesregierung strebte vor dem Bundesverfassungsgericht
nicht weniger als ein Verbot der NPD an. Ach ja, Bundeskanzler zu dieser Zeit war übrigens - Sie ahnen es - der Gerhard. Der Bundesinnenminister, und damit
rechtlicher Vertreter des Verbotsantrages war - genau - Otto Schily. Brüller!
Das Verbot scheiterte übrigens...
An dem Umstand, dass man nicht klären konnte, inwieweit V-Leute des Verfassungsschutzes die Partei infiltriert hatten und diese damit möglicherweise
teilweise "staatsgesteuert" war.
Dass der Verfassungsschutz ja auch nur seine Arbeit macht, ist hier nachzulesen.
Und Mahler verlässt die NPD. Doch nicht etwa, um einem erneuten Verbotsantrag größere Chancen einzuräumen? Nein, das würde ja bedeuten, dass der Horst V- Mann... Vergessen wir das!
Ach so, noch was: 1983 gab´s die sogenannte Flick-Affäre. Und im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Untersuchungsausschuss befragte Otto Schily
den amtierenden Bundeskanzler Helmut Kohl dazu und stellte später gegen diesen Strafanzeige wegen Verdachts der Falschaussage.
2000, im Jahr der "zweiten" CDU-Spendenaffäre, sitzt dann H.C. Ströbele mal zur Abwechslung mit im Untersuchungsausschuss und darf
Fragen stellen. Aber Helmut Kohl ist nicht mehr Kanzler und schon gar kein Anwalt. Er sagt deshalb lieber nichts. Ehrenhalber, versteht sich.
Wer übrigens nach jetzigem Kenntnisstand überhaupt nicht mitspielen durfte: Er ist (war) auch ein Anwalt, der Guido W. nämlich.
Das wundert mich nun wirklich, ehrlich gesagt.
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